Mönchengladbach bietet viele gute Gründe fürs Gründen – und ist gerade deswegen auch ein gutes Sprungbrett, um mit den vor Ort gemachten Erfahrungen auch anderswo zu punkten. In unserer Blog-Reihe präsentieren wir Gründerinnen (und nach und nach sicher auch ein paar Gründer), die in der Vitusstadt loslegten, die es aber mittlerweile in die große weite Welt verschlagen hat. Heute geht es um Kristina Mituzaite. Einst gewann sie mit ihrer Idee für „Teils mit X“, später „WerdeNeu“, das Stipendium Startup.Starterkit.MG – mittlerweile lebt und arbeitet sie im bulgarischen Sofia.

Kristina Mituzaite lebt und arbeitet mittlerweile im bulgarischen Sofia | Fotos: privat

Wo erwischen wir dich und was machst du dort beruflich?

Derzeit arbeite ich als Product Owner für ein internationales Unternehmen und entwickle mich im IT-Bereich weiter. Zuerst hatte ich diese Stelle für das Unternehmen in Neuss in Erwägung gezogen. Aber wie das Leben so spielt, bin ich in der Hauptstadt von Bulgarien gelandet.

In Gladbach kannte man dich über das Startup WerdeNeu, ursprünglich Teils_mit_X. Worum ging es?

Das Startup WerdeNeu, ursprünglich Teils_mit_X, sollte basierend auf einer digitalen Plattform die Kreislaufwirtschaft unterstützen. Das Konzept hat sich während des Mentorings im Rahmen des Startup.Starterkit.MG von Customer-to-Customer (C2C) zu Business-to-Consumer (B2C) gewandelt. Um erfolgreich zu sein, müsste es aber ein Business-to-Business-Konzept (B2B) sein.

Woran ist es letztlich gescheitert, dass du mit der Geschäftsidee wirklich durchstarten konntest?

Durch das Mentoring und die Pilotphase für die Validierung der Geschäftsidee ist es klargeworden, dass der Markt dafür zu schwierig ist. Im Grunde ging es immer um einen Marktplatz, wobei Kundenakquisitionskosten immer ein Kernproblem darstellen und gerade mit Restmaterialien die Kundenabwanderung recht groß ist, wenn man entweder keine passenden Produkte findet oder seine Restmaterialien nicht vermittelt bekommt. Gerade für Unternehmen als Anbieter ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis solch eines Geschäftsmodels nicht im Einklang, da zu viel Aufwand betrieben wird, die Restmaterialien zu inserieren und mit potentiellen Abnehmern zu kommunizieren. Um solch ein Model zum Laufen zu bringen, muss man sich auf einen Nischenmarkt fokussieren und mit großem Volumen arbeiten. Dafür war ich allerdings nicht bereit und wollte mich lieber umorientieren.

Inwiefern hat die Arbeit an und mit dem Startup den Weg für deine heutige Karriere geebnet?

Die Arbeit an meiner Startup-Idee hat mir einige Fähigkeiten vermittelt, andere einfach geschärft. Da ich eigentlich eher introvertiert bin, habe ich gelernt meine Idee und Vision besser zu präsentieren, diskutieren, planen und zu validieren. Als Product Owner mache ich genau das: Ich finde, diskutiere und analysiere Anforderungen; priorisiere, dokumentiere, präsentiere diese an verschiedene Interessensgruppen und plane die technische Auslieferung. Durch meine vorherigen Erfahrungen (auch die Startup-Idee) hatte ich bereits gelernt, Risiken und IT-Abhängigkeiten zu erkennen und rechtzeitig zu managen. Solch ein systematisches Denken ist in allen Lebenslagen und Arbeitsstellen nützlich und wird im Projektmanagement gelehrt. Wenn man ein großes Ziel vor Augen hat, muss man es in kleinere Meilensteine aufteilen, und um Unternehmer/-in zu sein, muss man sich viele Fähigkeit aneignen.

Welche Learnings aus der damaligen Zeit hast du für dich mitgenommen?

Die Perspektiven der Mentoren und des Netzwerks sind unbezahlbar. Meine Denkweise und Vision wurde immer angefochten und dadurch habe ich gelernt, was man tun muss, um ein profitables Geschäft aufzubauen. Aus WerdeNeu ist in 2021 kein Unternehmen geworden, die Erfahrung nehme ich aber für meine nächsten Projekte mit und stehe auch weiterhin dem Netzwerk in ganz NRW zur Verfügung. Erstaunlicherweise gibt es auch sehr viele Unternehmen, die in Bulgarien Zweigstellen haben oder zumindest bestimmte Geschäftstätigkeiten hierhin auslagern. Hier ist ein sehr großes Backoffice für andere europäischen Unternehmen. Für jegliche Fragen stehe ich gerne zur Verfügung. Man findet mich ganz leicht auf LinkedIn.

Und welche Tipps hast du für andere junge Gründerinnen und Gründer?

    1. Glaub an dich! “Whether you think you can or think you can’t, you’re right.” („Ob Sie glauben, dass Sie es können oder nicht, Sie haben Recht.”) – Henry Ford. Wenn man ein Ziel vor Augen hat, dann kann man es schaffen. Natürlich sollte man offen sein und alles mitnehmen, was man kann. Das Ziel sollte sich mit den neuen Erkenntnissen wandeln.
    2. Nutze jede Gelegenheit, Neues zu lernen! Man braucht viele Fähigkeiten als Unternehmer/-in und zumindest die Grundkonzepte von Vertrieb, Projektmanagement, Buchhaltung, Psychologie und IT.
    3. Finde Partner, die dich ergänzen! Man muss nicht alles selbst können, aber delegieren/auslagern können.
    4. Nimm Rat an, aber halte Ausschau nach Interessenskonflikten! Die meisten unterstützen einen sehr gerne, aber der Startup-Markt ist auch überlaufen mit vielen Persönlichkeiten, die dir entweder was verkaufen wollen oder ihre eigenen Ziele verfolgen.

Wie schätzt du die Startup-Szene in deiner neuen Heimat ein?

In Bulgarien gibt es auch eine Startup-Szene. Trotz Vollzeitjob kann man mich dort antreffen, da ich mir auch ein neues Netzwerk aufbauen muss. Der IT-Sektor ist vor allem in Sofia sehr stark ausgeprägt. Durch die geringen Steuersätze für Unternehmen ist Bulgarien natürlich auch interessant. Es gibt auch eine starke Freelancer-Community, die sehr international ausgerichtet ist. Somit hat man viele gebildete und interessante Persönlichkeiten, die ihre Ideen zum Leben erwecken. Der perfekte Mix für Innovation, wenn man mich fragt. Es gibt einige Vorurteile und kulturelle Hürden, die es einem schwieriger machen von hier aus ein internationales Startup aufzubauen. Aber so eine Analyse muss man individuell abwägen. Erfolgreiche Beispiele sind etwa Nexo, Payhawk, Quantive, Lam’on, Coursedot, Cyrcl oder Recursive.

Und wie blickst du von deiner neuen Heimat aus auf den Startup-Standort Mönchengladbach?  

Die Startup-Szene in Deutschland ist enorm gewachsen, hatte durch den unruhigen Finanzmarkt einen kleinen Einbruch erlitten. Es gibt aber immer noch unterschiedliche Quellen für entgeltliche und anderwärtige Unterstützung. Ich freue mich immer wieder über die Initiativen in Mönchengladbach (als auch Viersen, Düsseldorf, Venlo…). Denn wir brauchen überall Innovationen, um die Region und Deutschland voranzutreiben. Mittlerweile ist die Welt so verwoben, da ist es unwichtig, wo man gerade ansässig ist. Es hat mich derzeit nach Bulgarien verschlagen und ich genieße diese Erfahrung, aber ich bleibe mit Mönchengladbach weiterhin stark verbunden und bin mit den meisten Kontakten im Austausch – sei es die Wirtschaftsförderung Mönchengladnach, Mentoren, andere Unternehmen oder Startups aus der Region. Zwar läuft man sich nicht mehr so oft über den Weg, aber man ist digital vernetzt und wenn man in der Gegend ist, findet man auch Zeit für einen Kaffee, um sich auszutauschen.