Mönchengladbach bietet viele gute Gründe fürs Gründen – und ist gerade deswegen auch ein gutes Sprungbrett, um mit den vor Ort gemachten Erfahrungen auch anderswo zu punkten. In einer neuen Blog-Reihe präsentieren wir Gründerinnen (und nach und nach sicher auch ein paar Gründer), die in der Vitusstadt loslegten, die es aber mittlerweile in die große weite Welt verschlagen hat. Den Auftakt macht Laura Hanstein. Einst ist sie mit der Startup-Idee FGHT CNCR aus der Hochschule Niederrhein heraus gestartet – mittlerweile lebt und arbeitet sie im australischen Melbourne.

Laura Hanstein – seit 2022 in Melbourne | Fotos: privat

Wo erwischen wir dich und was machst du dort beruflich?

Nachdem ich einige Jahre bei der AOK Rheinland/Hamburg im Bereich Versorgungsinnovationen und digitale Versorgung gearbeitet habe und dort das Portfolio im Bereich Digital Health Startups mit aufgebaut habe, habe ich den Schritt gewagt, nach Australien auszuwandern. Ich lebe nun mittlerweile seit März 2022 in Melbourne in einem Stadtteil namens South Yarra. Ich habe eine wunderschöne Wohnung im 19. Stock und schaue bis aufs Meer, wenn ich morgens aufwache. Heute arbeite ich für einen Digital-Health-Accelerator und leite ein Health Innovation Centre im Stadtkern der Metropole Melbourne.

In Gladbach kannte man dich 2018 und 2019 als Teil des Startups FGHT CNCR. Worum ging es?

FGHT CNCR war ein absolutes Herzprojekt und begleitet mich auch heute noch. FGHT CNCR ist ganz ungeplant durch einen Kurs an der Hochschule Niederrhein entstanden (Business Plans). Dort sollten wir mit einem neuen Geschäftsmodell aufkommen und dazu einen Business Plan entwickeln. Mein Bruder war einige Jahre zuvor an Krebs erkrankt und hatte in diesem Zusammenhang eine „Marktlücke“ entdeckt. Diese Marktlücke bestand in der fehlenden digitalen Plattform für Krebspatienten und Angehörige. Diese Idee haben wir in unserem Kurs genutzt und daraufhin ein Business Model für eine App für Krebspatienten entwickelt. Besonderer Fokus lag dabei auf der Integration mehrerer Funktionen wie z.B.: Tagebuch, Rezepte-Pool, Selbsthilfe und der Vernetzung mit dem behandelnden Krankenhaus. Nachdem wir beim Startup-Pitch an der Hochschule teilgenommen haben und es dort ins Halbfinale geschafft haben, ging die richtige Arbeit am Projekt los – mit großartiger Hilfe der WFMG.

Woran ist es letztlich gescheitert, dass ihr mit der Geschäftsidee wirklich durchstarten konntet?

Leider konnte das Projekt FGHT CNCR nie den Markt erreichen. Das lag vor allem an uns als Gründerteam. Wir, Tanja, Sascha und ich, waren drei BWL-Studierende, die ganz ungeplant in die Situation gerutscht sind. Ein Gründerteam sollte aber bestenfalls strategisch sinnvoller aufgebaut sein und unterschiedliche Expertisen aufweisen. Für uns wäre dabei ein Mediziner, IT-Experte oder gegebenenfalls auch jemand aus dem Rechtsbereich hilfreich gewesen. Wenn Startups sich Investoren stellen, liegt ein großer Fokus auf dem Gründerteam und inwiefern sich dieses abheben kann. Investoren investieren in Menschen. Neben unserer fehlenden Varianz gab es ebenfalls ein weiteres Problem. Die Finanzierung hätten wir persönlich härter antreiben, gegebenenfalls sogar privat anstoßen müssen. Unsere Bereitschaft hierzu war allerdings nicht Hundertprozent gegeben und dies hatte folgenden Grund: Tanja und ich waren zu dem Zeitpunkt frische 21 und wollten eigentlich damals direkt nach unserem Abschluss ins Ausland abhauen und uns in Australien unserer Karriere widmen. Abgesehen davon hatten wir beide auch noch nie Vollzeit in einer organisatorischen Struktur gearbeitet und somit ein limitiertes Selbstvertrauen, was unsere Arbeit angeht. Dieses Selbstvertrauen ist essenziell, um als Gründerteam zu überzeugen. Egal, wie sehr wir an die Idee und den Sinn von FGHT CNCR geglaubt haben, es hat damals nicht gereicht, um uns komplett auf das Projekt einzulassen und die nötige Kraft und Disziplin aufzubringen, die es benötigt hätte. Somit haben wir uns als Gründerteam für unsere individuellen Karrieren entschieden und dazu, das Projekt in eine Ablage zu legen – mit der Option, das erlernte Wissen und die Idee vielleicht irgendwann für uns nutzen zu können.

Inwiefern hat die Arbeit an und mit dem Startup den Weg für deine heutige Karriere geebnet?

Ich bin bis heute so unfassbar dankbar für diese Erfahrung. Nicht nur habe ich unfassbar viel lernen dürfen und unfassbar viel positive Resonanz zu mir als Person erhalten, die mir extremes Vertrauen in mich selbst ermöglicht hat; ich habe ebenfalls meine Leidenschaft im Bereich Digitaler Gesundheit und Innovation gefunden. Während meines Studiums wusste ich nicht genau, wo meine Reise in der Wirtschaft genau hinführt und welchen Job ich tatsächlich interessant finden würde – und vor allem welchen Bereich. Durch FGHT CNCR durfte ich so viele spannende Leute kennenlernen. Darunter meinen langjährigen Mentor Wilfried Jacobs, der mich nach gemeinsamer Zusammenarbeit an FGHT CNCR in seinem Institut angestellt hat und mich der Gesundheitswelt vorgestellt hat. Ich habe also durch FGHT CNCR meine Richtung finden dürfen.

Welche Learnings aus der damaligen Zeit hast du für dich mitgenommen?

Meine Learnings – das ist ganz schön schwer runterzubrechen. Aber ich würde behaupten, dass ich vor allem gelernt habe, wie man ein Problem gezielt angeht und wie man sich der Lösung nähern kann. Außerdem wie unfassbar wichtig ein Netzwerk ist – die Verbindung zu anderen Menschen und die Erfahrung anderer ist meiner Meinung nach oftmals der Schlüssel zum Erfolg. Und zuletzt – Resilienz. Wir haben so wahnsinnige Angst zu scheitern, dabei liegt es an uns, Scheitern zu definieren.

Und welche Tipps hast du für andere junge Gründerinnen und Gründer?

Lasst euch auf die Erfahrung ein und nutzt alles, was euch an Hilfe geboten wird. Geht zu allen Events und sprecht mit Menschen – es ist unglaublich, was sich teilweise dadurch ergibt. Selbst, wenn es nur für euch persönlich ist. Auch wenn ihr zu dem Entschluss kommen solltet, dass ihr das Projekt aufgeben müsst. Diese Erfahrung kann euch keiner nehmen und wenn ihr in eurem Leben jemals wieder auf eine neue Geschäftsidee stoßt, die euch begeistert, dann wisst ihr genau, wie ihr diese angeht, da ihr euch unternehmerisches Wissen angeeignet habt und lernen durftet, wie man solche theoretischen Konzepte in die Realität umsetzen kann.

Wie schätzt du die Startup-Szene in Melbourne ein?

Die Startup-Welt hier in Melbourne ist spannend. Hier passiert einiges und ich bin sehr dankbar, auch hier in dieser Szene weiter Erfahrungen machen zu können. Oftmals ergeben sich hier sogar Möglichkeiten, meine Erfahrungen aus dem deutschen Markt zu teilen und durch die Unterschiede beider Länder Chancen und Risiken für den australischen Markt erkennen zu können.

 Und wie blickst du von Australien aus auf den Startup-Standort Mönchengladbach?

Ich blicke sehr positiv und beinahe nostalgisch auf den Startup-Standort Mönchengladbach zurück. Es fühlt sich an, als hätte dort alles begonnen. Ich habe so wahnsinnige Unterstützung erfahren dürfen und das liegt vor allem daran, dass es ein sehr persönlicher Umgang ist. Dadurch, dass Mönchengladbach eine kleine Community hat, ist alles sehr viel vertrauter und vernetzter. Das heißt aber nicht, dass die Qualität des Mentorings darunter leidet. Die notwendigen Vernetzungen in verschiedene Branchen und Investoren besteht genauso wie in den größeren Startup-Zentren in Köln etc. Ich würde ganz klar behaupten, dass ich immer gerne ein Teil der Community war und mich meine Zeit dort unheimlich geprägt hat.